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Gummel-Poon Modell
#1
Ich hab für das Projekt "Stereo-SIMPLA mit BJTs" ganz vorzügliche Transistor-Pärchen gefunden.

Toshiba 2SA1930/2CS5171: 2A, 180V, 200MHz, Reichelt

Mospec 2SA1215/2CS2921: 15A, 160V, 150W, 50MHz, Reichelt

Nun hab ich nur ein Problem: die benötigten Spice-Modelle für diese Typen sind natürlich nirgends zu bekommen. Muß ich mich wirklich selbst mit dem Gummel-Poon-Modell befassen oder kann hier jemand das schon ausm "FF" ?
 
#2
Also soweit ich seh, ist es gar nicht sooooooo schwierig, mit dem "Grummelpuh"-Modell neue Transistoren direkt aus dem Datenblatt zu erzeugen.

Wesentlich besteht der Transistor aus vier Dioden, drei Widerständen, einem Leitwert und vier Kapazitäten.

Rund 20 Formeln beschreiben das statische, das dynamische und das Temperaturverhalten. Dazu kommen noch weitere Formeln, die das Kleinsignalverhalten und das Rauschen spezifizieren. Wenn man sich nen Dreck um irgendwelche Parameter schert, so setzt Spice durch Paramater-defaults einen funktionierenden Transistor ein.

Ich muß mich also nur um die Parameter kümmern, die mir für eine Endstufenanalyse wichtig sind, also die dynamischen und statischen Parameter.

Zur Absicherung will ich eine Spice-Beschaltung des Transistors laut Datenblatt vornehmen, die dann exakt die gleichen Parameterverläufe wie im Datenblatt ergeben muß.

Das krieg ich vermutlich hin... (auch wenns wohl einige Zeit dauern wird).

Nun die Frage an Euch: habt Ihr Interesse, daß ich meine (hoffentlich) kommenden Erkenntnisse hier abdrucke oder interessiert es keinen so wirklich, wie man neue BJT-Modelle erstellt?
 
#3
hallo Rumgucker,

doch, das interessiert bestimmt einige leute. Suche auch schon die ganze zeit im netz rund ums thema modelle erzeugen, schwierigstes thema, man findet so gut wie nichts. Das modellieren scheint eine hochspezielle aufgabe für ein paar wenige firmen zu sein (siehe modpex, dialyse etc), ich denke, dazu gehört viel know how auch von seiten der gerätschaften, um diese parameter zu messen (es geht ja nicht nur um die parameter, die im datenblatt stehen).
Und japanische hersteller scheinen sich um spice generell so gut wie überhaupt nicht zu kümmern

Statische parameter (temperaturverhalten, ie/ia-kennlinien etc) sollten ja noch einfach modellierbar zu sein, bei den komplexen, f-abhängigen, blicke ich nicht mehr durch. Ich habe nur manchmal den eindruck, dass da geschummelt wird. Z.b. sehen die vielen krummen werte bis an die fünfte stelle hinterm komma nach automatischer "gummel-modell-ersetzung" aus, und transistoren mit unterschiedlichen uceo's bekommen einfach 100% das gleiche modell, obwohl jeder weiß, dass mit höherer uceo-durchbruchspannung fast zwangsweise h21e geringer ausfällt.

Grundvoraussetzung scheint mir zu sein, dass man auch zuersteinmal sich über die zahlreichen parameter-"testschaltungen" gedanken macht, damit man überhaupt kurven zu gesicht bekommt, die man nach dem datenblatt "hinbiegen" möchte (z.B. ft als func. von f oder f(h21e) = ic usw.)

kim
 
#4
Was ich noch sagen wollte: mit dem einfachen standartmodell aus vier dioden/kapazitäten, drei widerständen und dem leitwert (wie du es erwähnt hast), bekommt man bei dem extrem hohen dt/du einer zu schaltenden steilen rechteckflanke garantiert unrealistische bis unbrauchbare ergebnisse, weil z.b. die (nicht berücksichtigte) basisbahninduktivität eine sehr wichtige rolle gespielt hätte.
Zusätzlich - wie du vielleicht beim durchsehen der modelle schon gesehen hast - werden bereits ab 'am' (zwischenfrequenz mittelwelle ~ ukw) nahezu alle transistoren (ausschliesslich als subcircuit) sogar mit den bonddrähten bis auf den chip modelliert ("housing parasitics"). Nur wenige mm nicht simulierte drähte und dazwischenliegende kapazitäten werden dann sicherlich hinterher im versuchsaufbau ordentlich schwingende kreise verursachen, von leiterbahnen ganz zu schweigen

kim
 
#5
Wow! überrascht Derartige Beiträge motivieren mich extrem! Dankeschön!!! Smile

In meinen Vorbereitungen hab ich ein sehr gutes DOS-Programm aus 1991 geladen, was eine direkte Umsetzung von Datenblatt auf Spice-Parameter gestattet: spicemod von ICAP4. Leider ist das winzige Tool nur eine Demo und läßt nur die Eingabe ganz weniger Parameter zu.

[Bild: 1_pic73.jpg]

Aber die Idee dahinter ist klar: auch wir sollten ein Formelgebilde aufstellen, was uns die Umrechnung von Datenblatt- in Spiceparameter ermöglicht.

Wir müssen uns nur im Klaren sein, daß die Sache "etwas" dauert.... Rolleyes

...und bitte lacht die nächsten Tage nicht über meine mathematischen Un-Fähigkeiten... Sad .... Mathe kann ich nämlich auch nicht... Wink

 
#6
Ach, kim.. ich seh da auch höllisch viele Fiesheiten kommen.

Andererseits hab ich mir ein enges Ziel gesteckt: ich will nur die für die Class-D-Schalstufe wichtigsten Parameter erfassen.

Da gehts um die Stromverstärkungskurve, die Innenwiderstände, die Kapazitäten und das Zeitverhalten. Das ist schon schwer genug, finde ich.

Ich denke, wenn wir das Etappenziel erreicht haben, sollten wir erst weiter schauen. Zumindest haben wir bis dahin unheimlich viel gelernt.... und das kann uns keiner mehr nehmen.
 
#7
Zuerst mal brauchen wir eine geeignete Testschaltung, die uns die Nachprüfung der Strom-Spannungskurven gestattet. Dann hätte ich also einen Transistor, an dessen drei Anschlüssen allerlei Strom- und Spannungsquellen dranhängen. Und wir würden an den einzelnen Modell-Parametern rumspielen, um so hoffentlich die gewünschten Kurven hinzubiegen.

Dieses Konzept hat m.E. keine große Chance. Einfach, weil (fast) jeder Parameter jeden anderen beeinflußt... wir kommen in Teufels Küche.

Sinnvoller wäre es meiner Meinung nach, wenn ich das komplette Gummel-Poon-Modell aufzeichne und wir unsere Messungen somit auch am "inneren" Transistormodell vornehmen können....

....außerdem sieht so jeder sofort, an welchem Detail wir gerade rumhängen.
 
#8
Ja, das wird sehr schwer bis unmöglich, wenn das auch keine entmutigung bedeuten soll, es zu probieren (ich bin dabei noch nicht weit gekommen, dass ich mich auch nur im ansatz auf ein modell verlassen würde, im gegenteil)
Wie geschrieben, es müssen hochfrequenzrelevante parameter erfasst werden, die nicht direkt aus dem datenblatt entnehmbar sind. Meines wissens können diese generationsprogramme auch in vollversion nur einfache modelle erzeugen und wir haben es hier mit den schwierigsten randbedingungen durch extreme hf (oberwellen hoher f), hohe slewraten, parasitäre schwingkreise etc zu tun. Also auch zeitbedingungen relevante fakten. Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, solche wichtigen parameter erst einmal der einfachheit wegzulassen und später zuzufügen, weil sich komplexe frequenzparameter gegenseitig beeinflussen
Ich glaube auch nicht, dass solche dinge, wie modpex sie macht, ohne weiteres von amateuren hinzubekommen ist

kim
 
#9
ps. mein posting gerade eben bezog sich auf 5#

kim
 
#10
Das gesamte gummel-poon modell ist mir in seiner wirkung auf datenblatt-relevante kurven bis jetzt absolut unbegreiflich geblieben, das muss ich gleich zugeben!
Die Testschaltungen können natürlich nur die ergebnisse eines "fertigen" modells visualisieren, so wie man das eben aus den datasheets gewohnt ist

kim
 
#11
Mir steht erstmal der zu erhoffende Lernerfolg vor dem Endziel, ein wirklich zuverlässiges HF-taugliches Modell zu kreieren.

LTSpice hat das Gummel-Poon-Modell noch verfeinert/erweitert, erklärt die LTSpice-Hilfe. Möglicherweise, weil die SUBCKT-Durchrechnung durch das Instant-Modell umgangen und daher beschleunigt werden kann.


Wenn wir also die Grundlagen begriffen haben, so können wir das ganze noch beliebig ausbauen. Wahlweise per SUBCKT oder per Modell-verfeinerungen. Allerdings werden uns die verfügbaren Datenblätter vermutlich auch frühe Grenzen aufzeigen.

Das mit dem kompletten Rauszeichnen des Modells kann ich mir sparen. Wenn ich Re=Rc=Rb=0 setze, hab ich das innere Modell freigelegt.

Zuerst wollte ich damit eine simple "Ic/Ube"-Kurve hinkriegen.


Dazu nimmt das Modell an, daß es eine BE-Diode gibt, deren Strom nach

Icc = IS * (e^(Ube / (NF * Ut)) - 1)

berechnet wird.

Hinter dem e-Term verbirgt sich die typische e-förmige Stromanstiegskurve des Halbleiters. "Ube" ist die von außen angelegte Spannung über der BE-Diode, "NF" ist ein Modell-Parameter (default "NF=1") und "Ut" ist die Temperaturspannung (Boltzmann-Konstante mal Temperatur durch Elementarladung), bei 25°C ist "Ut=0,02587 V".

Die einzigen Möglichkeiten, um die Kollektorstromkurve zu beeinflussen, sind also die Parameter "IS" und "NF". Beide zeigten auch deutliche Wirkung.

Zwar kann ich die Steilheit der e-Kurve wunderbar verbiegen, aber beide Parameter gestatten nicht die Manipulation der (zu hohen) Schwellspannung.
 
#12
Ich würde jetzt einfach mal raten und meinen, auch für den unteren "knick" der funktionskurve gibt es einen wert. Biegt man nicht auch die ft-Kurve so hin - aus einem unteren, mittleren und oberen wert für die steilheit der funktion (zusätzlich zur e-funktion bei der diodenkennlinie)? Ich meine das in der hilfe zu den modellparametern gelesen zu haben (sorry!, leider weiss ich im moment auch nicht mehr, vielleicht kümmert sich ja noch jemand darum)

kim
 
#13
Keine Panik... es geht weiter! Mit folgenden drei Parametern kann ich die e-Kurve vollständig (richtig für den 2SC5171) beschreiben:

.model NPN NPN(IS=1e-13 NF=1 RB=10)
 
#14
Nun würde ich gerne Formeln aufstellen. Aber zuvor muß ich begreifen, warum "RB" den Beginn der IC/Ube-Kurve hin zu niedrigeren Ube-Spannungen verschiebt.
 
#15
Vielleicht täte ich mir einen Gefallen, wenn ich rechtzeitig auf einen bekannteren Transistor umschwenke, z.B. 2N2222 oder so. Denn irgendwann wird ja der Punkt kommen, wo unsere (kommenden) Online-Programme Parameter ausspucken, die wir dann mit einem bewährten Modell vergleichen müssen.
 
#16
Ich kann die Kurve durch nichts zerstören. Diese drei Parameter sind es und sie tun es.

Ich hab also als Input ein Diagramm und will als Formel-Ausgabe die drei Parameter erhalten. Wenn ich mir die Datenblatt-Kurven so anschaue, kann ich unschwer zwei markante Kurvenpunkte angeben: die Schwellspannung und die Ube beim Kollektor-Maximalstrom. Ich vermute, daß es sinnvoll wäre, noch einen dritten (willkürlichen) Punkt auf der Kennlinie anzugeben, einfacherweise alles bei 25°C.

Damit les ich aus dem Datenblatt folgende drei Punkte ab:

Ic=0A bei Ube=0,6V
Ic=0,8A bei Ube=0,8V
Ic=2A bei Ube=1V

Tatsächlich sieht die Kurve kerzengerade aus und krümmt sich nur im alleruntersten Teil.

Folgende Formeln kennen wir:

Icc = IS * (e^(Ube / (NF * Ut)) - 1)

RBB = RBm + (RB - RBm) / QB

Das hat erstmal nichts miteinander zu tun.

"QB" setzt sich aus "Q1" und "Q2" zusammen:

QB = Q1 * (1 + (1 + 4 * Q2)^0.5) / 2

wobei:

Q1 = 1 / (1 + Ucb/VAF - Ube/VAR)

Q2 = Icc / IKF + IEC / IKR


RBB ergibt sich also aus der Charakteristik der BE-Diode (und nicht umgekehrt)! Zumindest sagen die Formeln das.

Andererseits ist im Gummel-Poon-Modell der Basiswiderstand RBB eben vor der Diode angebracht. Das deckt sich mit dem Simulationsergebnis, daß RB (der ja RBB bestimmt) Einfluß auf den Kollektorstrom hat.

Jetzt bin ich etwas verwirrt... irgendwas muß ich in den Formeln übersehen haben... Rolleyes
 
#17
Anläßlich Kims sensationellem BJT-Tipp verlier ich gerade die Lust auf weiteres Formelstudium.

Morgen gehts mit frischen Transistoren inkl. der fix-fertigen Hersteller-Modelle wieder an den BJT-SIMPLA.

Schließlich war er ja der Auslöser für den Spice-Exkurs.
 
#18
Das ist allerdings schade, hier aufzuhören.

kim
 
#19
Ok... überredet.... Wink

Ich werd am Ball bleiben!
 
#20
Tja... es nütz wohl alles nichts. Andreas und ich brauchen was zum Spielen.

Es gibt offensichtlich nichts langweiligeres und öderes in Spice als das Gummel-Poon-Modell. Eine unheilvolle Allianz aus Empirik, Physik und Mathematik. Das Grauen der Simulation. Wahrscheinlich wurden damit schon Generationen von Nachrichtentechnik-Studenten traktiert.

Aber es nützt alles nichts. Wir müssen ran! Ich fang die Thread-Arbeit gleich mal mit einer motivierenden These an!

These: "Andreas hat keinen Schimmer worum es hier überhaupt geht" klappe