Irgendwie habe ich das Bedürfnis hier mal eine Zusammenfassung zum Thema "Phase" zu schreiben, da es doch immer wieder zu Missverständnissen kommt. Das ganze wird zweigeteilt sein: Messung der Phase und Minimalphasigkeit.
Messung der Phase
Die Einfachste Methode die Phasenverschiebung eines Systems bei einer bestimmten Frequenz zu bestimmen geht sicherlich mit Frequenzgenerator und Oszilloskop. Prinzipiell lassen sich nur Phasenverschiebungen im Bereich von -180°....+180° messen.
Durchfährt man den Frequenzbereich kontinuierlich wird man feststellen, dass bei manchen Systemen die Phase nach -180° weiter fällt. Die Generatorspannung "bleibt stehen", während sich die Ausgangsspannung kontinuierlich "verschiebt".
Um einen tatsächlichen Phasenversatz von z.B. -270° messen zu können muss ich also die "Vorgeschichte" des Phasengangs kennen.
Mit geeigneter Soft- und Hardware ist es möglich die Impulsantwort eines Systems relativ aufwandsarm zu messen. Aus dieser (miest recht langen) Impulsantwort wird der relevante Teil "herausgefenstert", um daraus mit Hilfe der FFT die komplexwertige Übertragungsfunktion des Systems zu ermitteln. Diese enthält zu jedem Frequenzwert einen Zeiger (komplexe Zahl). Aus der Polardarstellung folgen Betrag (Amplitude) und Winkel (Phase) des Zeigers.
Der erhaltene Wert liegt ebenfalls zwischen -180° und +180°. Zudem ergibt sich je nach Lage des Fensters ein Nullphasenwinkel, der sich zu allen weiteren Winkeln hinzuaddiert. Fällt die Phase unter -180° ist ein Sprung auf den Wert von +180° im Diagramm zu verzeichnen.
Auch hier kann aufgrund der "Vorgeschichte" auf den realen Phasengang geschlossen werden. Man nennt dies "Unwrapping".
Minimalphasigkeit
Man nennt ein System Minimalphasig, wenn aus dem Amplitudengang des Systems eindeutig auf den Phasengang geschlossen werden kann. Im doppelt logarithmischen Maßstab kann dies für "einfache" Systeme grafisch geschehen. Dazu werden zunächst Asymptoten an den Amplitudengang gelegt, die definierte Steigungen von 0dB/dekade, 20dB/dekade, 40dB/dekade, ... haben. Aus den Steigungen und den Schnittpunkten der Asymptoten folgen dann mittels einer Konstruktionsvorschrift weitere Asymptoten, an die sich der Phasengang in einfach logarithmischer Darstellung anschmiegt.
Als Beispiel wird dies für ein RC-Hochpassfilter dargestellt.
Zitat:
Schritt 1 - Asymptoten an den Amplitudengang anlegen.
Zitat:
Schritt 2 - Ein Übergang von -20dB/dekade auf 0dB/dekade bedeutet einen Phasenunterschied von 90° über zwei Dekaden, usw, usw...
Die mathematische Relation hinter dieser grafischen Konstruktion wird durch die Hilbert-Transformation ausgedrückt. Mit ihr lässt sich auch zu einem deutlich komplexeren Amplitudengang derjenige Phasengang berechnen, den ein minimalphasiges System (mit eben jenem Amplitudengang) hätte.
Subrtrahiert man von der tatsächlichen Phase eines Systems diese zugehörige minimale Phase, so errechnet man den "Phasenüberschuss" oder "excess phase".
Anders ausgedrückt: Die Übertragungsfunktion wird in einen minimalphasigen und in einen allpass Anteil aufgeteilt.
Wichtig ist, dass ein minimalphasiges System, das ein zweites minimalphasiges System nach der Amplitude entzerrt auch automatisch dessen Phasenverlauf korrigiert. Dies folgt aus einfachen regelungstechnischen Überlegungen (Pole / Nullstellen) und lässt sich mit der Hilberttransformation bzw. grafisch leicht nachvollziehen.
Zitat:
Das minimalphasige Gegenstück zum Hochpass ist der PI-Regler.
Fasst man ein nicht minimalphasiges System allerdings wie oben beschrieben als zweiteilig (Minimalphasen- und Allpasanteil) auf, so wird klar, das nach Entzerrung eines solchen Systems mit minimalphasigen Filtern nur noch der Phasenüberschuss zu messen ist.
Pffffffffft. "Da entwich das Vakuum" - Heinrich Physik, 1857.